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Länder sehen großen Änderungsbedarf

Geht es nach den Bundesländern, besteht noch großer Nachbesserungsbedarf am Regierungsentwurf zur Novelle des Tierschutzgesetzes. Sie mahnen im…

Beim Entwurf der Bundesregierung für eine Novelle des Tierschutzgesetzes sehen die Bundesländer erheblichen Änderungsbedarf. Das zeigt die umfassende Stellungnahme, die die Länderkammer am Freitag (5.7.) zu der Vorlage verabschiedete. Änderungen mahnen die Bundesländer unter anderem zu den geplanten Verschärfungen bei der Rinderenthornung und beim Schwänzenkupieren bei Schweinen und Schafen an. Eine Empfehlung des Umweltausschusses, die vorgesehene Übergangsfrist für das Auslaufen der Anbindehaltung bei Rindern von zehn auf fünf Jahre zu halbieren, fand keine Mehrheit.

 

Die Parlamentarische Staatssekretärin vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Ophelia Nick, wies darauf hin, dass im EU-Recht das routinemäßige Kupieren von Schwänzen schon seit 30 Jahren untersagt sei. Sie warnte vor einem Vertragsverletzungsverfahren, wenn hier nichts unternommen werde. Zur Anbindehaltung stellte Nick fest, dass diese einem modernen Verständnis von Tierschutz widerspreche. Diese Haltungsform sei ein Auslaufmodell. Wissenschaft und Forschung lieferten neue Erkenntnisse zum Empfinden und zu den Bedürfnissen der Tiere, und das müsse sich auch im Tierschutz widerspiegeln, betonte Nick.

 

Der Deutsche Bauernverband (DBV) erwartet nun entsprechende Korrekturen mit "vernünftigen Lösungen" im parlamentarischen Verfahren durch den Bundestag. Die Debatte in der Länderkammer wertete er als Beleg dafür, wie "unausgegoren" der Entwurf der Bundesregierung sei.

 

Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßte, dass der Bundesrat nicht den Ausschussempfehlungen bei der Anbindehaltung folgte: "Eine Übergangsfrist von zehn Jahren ist für die tierhaltenden Betriebe zwingend notwendig, ebenso eine Lösung für Kombinationshaltung unabhängig der Bestandsgröße", betonte DRV-Geschäftsführer Dr. Christian Weseloh. Positiv stellte er außerdem fest, dass es Anregungen seitens der Länder gebe, die Videoaufzeichnung für alle Schlachtbetriebe umzusetzen, da insbesondere kleinere Betriebe in den letzten Jahren auffällig gewesen seien.

 

Enttäuscht von der Stellungnahme des Bundesrates zeigten sich Tierschützer. "Wir brauchen endlich ein Tierschutzgesetz, welches Tiere wirklich schützt", so die Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

 

Kosten von einer Milliarde

"Der Gesetzentwurf gehört angesichts der zahlreichen politischen Absichtserklärungen zum Bürokratieabbau grundsätzlich auf den Prüfstand", bekräftigte DBV-Veredlungspräsident Hubertus Beringmeier nach der Bundesratssitzung. In jedem Fall bedürfe es einer umfassenden Nachbearbeitung der geplanten Novelle. Letztendlich rollten mit diesem Gesetzentwurf Mehrkosten von rund 1 Mrd. Euro auf die Nutztierhalter zu, insbesondere auf die Schweine-, aber auch auf die Milchviehhalter, gab Beringmeier zu bedenken. Die Tierhalter stünden zur Weiterentwicklung beim Tierschutz. Das funktioniere jedoch nur mit praxistauglichen und machbaren Schritten, aber nicht mit Bürokratie und Verboten. Damit werde die Tierhaltung lediglich ins Ausland verlagert.

 

ISN könnte mit Bundesratsempfehlungen leben

"Der Empfehlung des Bundesrates zum Schwanzkupieren beim Schwein können wir weitestgehend zustimmen", sagte der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Dr. Torsten Staack. Hier müsse erst einmal der europäisch abgestimmte Weg über den Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht konsequent gegangen werden, und das eins zu eins und nicht mit verschärften Regelungen. "Es macht keinen Sinn, diesen Pfad zu verlassen, denn dann verlieren wir die hiesige Schweinehaltung zugunsten der Importe", warnte Staack. Der Kabinettsentwurf weiche bei diesem Thema "meilenweit" vom Aktionsplan ab.

 

Hauk beklagt "Verfassungstrick"

Vor einer Verlagerung der Produktion ins Ausland warnte in seiner Rede vor dem Bundesratsplenum auch Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk. Es ergebe keinen Sinn, dass die Tierhaltung hierzulande verschwinde und der Import deutlich zunehme. Er bezweifele, so Hauk, dass es den Tieren im Ausland besser gehe. Die Politik sieht der CDU-Politiker in der Pflicht, die Rahmenbedingungen für die Tierhalter nachvollziehbar und vernünftig zu gestalten. Die geplante Novelle erfülle diese Anforderungen nicht, so Hauk. Er warf dem Bund zudem "einen Verfassungstrick" vor, da dieser die Länderbeteiligung umgehe.

 

Hauks schleswig-holsteinischer Amtskollege, Werner Schwarz, mahnte ebenfalls praktikable und umsetzbare Tierschutzvorschriften an. In Sachen Schwänzekupieren forderte er eine Orientierung am Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht, der sich als guter und verlässlicher Ansatz erwiesen habe. Ausdrücklich begrüßt wurde von Schwarz die geplante Videoüberwachung in Schlachthöfen.

 

Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte erklärte bezüglich der geplanten Verschärfungen zum Schwänzekupieren, dass viele Länder, so zum Beispiel Finnland, hier schon viel weiter seien. Eine Schweinehaltung mit langen Schwänzen sei möglich, sagte die Grünen-Politikerin.

 

Betriebe würden massiv überfordert

Die geplanten Vorgaben für das Enthornen von Kälbern wurden vom Bundesrat begrüßt. Zugleich forderte er die Bundesregierung aber auf, einen Ausnahmetatbestand vom Tierarztvorbehalt für die Lokalanästhesie zu schaffen. Die Länderkammer verwies auf den Tierärztemangel im Bereich der Nutztierpraxis. Deshalb sollte die Lokalanästhesie wie bei der Ferkelkastration auch bei der Kälberenthornung durch Landwirte mit der notwendigen Sachkunde durchgeführt werden können.

 

In Sachen Schwänzekupieren bei Schweinen verwies der Bundesrat auf den von der Agrarministerkonferenz (AMK) beschlossenen Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht. Bei korrekter Anwendung gebe dieser einen guten Überblick über den einzelnen Betrieb und zeige regelmäßig Schwachstellen auf. Bevor es zu weiteren nationalen Verschärfungen komme, sollte das EU-Recht in Bezug auf den Komplex Schwanzbeißen/Schwänzekupieren weiterentwickelt und konkretisiert werden, fordert die Länderkammer. Daher sei der Aktionsplan ins Tierschutzgesetz aufzunehmen.

 

Die vom Bund geforderten Dokumentationspflichten hinsichtlich Risikoanalyse, -bewertung und Reduktionsstrategie lehnen die Länder als "praxisfremd" ab. Diese würden die Betriebe massiv überfordern. So sei es zum Beispiel völlig unmöglich, den Zeitpunkt des Auftretens von Ohr- oder Schwanzverletzungen exakt zu erheben. Zudem würde dies zu einer erheblichen Benachteiligung der deutschen Schweinehalter innerhalb des EU-Binnenmarktes führen.

 

Ablehnend äußerte sich der Bundesrat zum geplanten Kupierverbot bei Jagdhunden. Der Deutsche Jagdverband (DJV) und der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) begrüßten diese Entscheidung. Sie betonten, dass das Kupieren der Rute im Welpenalter bei Jagdhunden ausnahmslos zu deren Gesundheitsschutz stattfinde. AgE