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Keine Einigung bei den Finanzen

Die teilnehmenden Staaten beim 16. UN-Weltnaturschutzgipfel in Kolumbien konnten sich nicht auf eine Lösung der Finanzierungsfrage im globalen…

Beim 16. UN-Weltnaturschutzgipfel (COP16) im kolumbianischen Cali konnten sich die Teilnehmerländer nicht rechtzeitig auf eine Finanzierung des globalen Artenschutzes einigen. Die Konferenz endete am Samstag (2.11) abrupt aufgrund mangelnder Beschlussfähigkeit, da nicht mehr genug Delegierte anwesend waren. Zu viele Gipfelteilnehmer aus meist ärmeren Ländern hatten bereits die Rückreise angetreten, sodass weniger als die Hälfte der Länder noch vertreten war.

Eine Lösung im Streit darum, wer finanziell für den globalen Naturschutz aufkommen soll, galt als zentral um die Beschlüsse der vergangenen Weltnaturkonferenz vor zwei Jahren in Montreal umzusetzen. Geeinigt wurde sich damals unter anderem darauf, bis 2030 jeweils 30% der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen und Ökosysteme wiederherzustellen. Bis Ende des Jahrzehnts sollten dafür eigentlich 200 Mrd. Dollar bereitgestellt werden.

"Es ist bedauerlich, dass die Weltnaturkonferenz zu Ende gegangen ist, ohne dass eine Strategie beschlossen wurde, wie weitere Gelder für den Naturschutz aufgebracht werden können", sagte dazu der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium (BMZ), Jochen Flasbarth.

Zwar blieb der große Wurf damit aus, die Mitgliedsstaaten konnten sich dennoch auf eine Reihe von Teileinigungen verständigen. So etwa bei der Berücksichtigung indigener Gruppen, dem Meeresschutz und der internationalen Berichterstattung zur Biodiversität. Zudem soll ein sogenannten "Cali-Fonds" für Vorteilsausgleiche bei der Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI) eingerichtet werden. Die nicht-bindende politische Absichtserklärung sieht vor, dass Unternehmen, die von der biologischen Vielfalt profitieren, wie beispielsweise Pflanzenzüchter oder Pharma-Unternehmen, künftig 0,1% Ihres Umsatzes oder 1% Ihres Gewinns in den Fonds einzahlen sollen. Die so vereinnahmten Gelder sollen wiederum zur Hälfte an die Staaten gehen, in denen die jeweiligen Arten vorkommen, und zur anderen Hälfte an die entsprechenden indigenen Völker. Die Teilnahme an diesem System ist für die betroffenen Unternehmen allerdings freiwillig.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach mit Blick auf das Gipfelergebnis von einem "enormen Schritt", stellte jedoch klar, dass beim internationalen Naturschutz noch "viel Arbeit vor uns liegt". Um die Ziele von Montreal umzusetzen habe sie zudem als deutschen Beitrag einen Entwurf einer Nationalen Biodiversitätsstrategie 2030 mit nach Cali gebracht, der allerdings noch nicht mit dem übrigen Bundeskabinett abgestimmt sei.

Kritik an Lemkes Strategieentwurf

Als eine "Blamage" bezeichnete der World Wide Fund for Nature (WWF) die Ergebnisse der COP16. Ohne eine Einigung auf eine globale Naturschutzfinanzierung sei das "ohnehin schwer belastete Vertrauensverhältnis" zwischen Industriestaaten und Ländern im globalen Süden weiter empfindlich getroffen worden. Ein "Lichtblick" sei zumindest der beschlossene Cali-Fonds. "Wirtschaftszweige wie die Pharmaindustrie, die Kosmetikindustrie und der Agrar- und Ernährungssektor verdienen seit Jahrzehnten Milliarden mit der Natur", kommentierte Florian Titze vom WWF. Mit dem Fonds könne sichergestellt werden, dass Unternehmen, die von der Natur profitierten, auch einen "fairen Beitrag" zu ihrer Erhaltung beitragen.

Skeptischer blickt dagegen Greenpeace auf die Einigung zu den DSI: "Es ist ein vollkommen falsches Signal, dass Unternehmen wie Bayer erneut nur freiwillig und mit minimalen Abgaben für die Nutzung der genetischen Informationen an artenreiche Herkunftsländer zahlen", so der Politikexperte von Greenpeace Deutschland, Jannes Stoppel.

Kritik an den Ergebnissen der Konferenz äußerte auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Bei der Finanzierung für den weltweiten Schutz der Artenvielfalt sei nur "ein Bruchteil" der von den Industrieländern versprochenen 20 Milliarden Dollar aufgebracht worden, monierte DUH-Naturschutzexpertin Svane Bender. Auch von Lemkes Entwurf einer Nationalen Biodiversitätsstrategie ist die DUH offenbar noch nicht überzeugt. Deutschland wäre auf der Weltnaturschutzkonferenz glaubwürdiger aufgetreten, wenn die Bundesregierung eine geeinte Nationale Biodiversitätsstrategie vorgelegt hätte, anstatt eines noch nicht vom Kabinett gebilligten Entwurfes der Bundesumweltministerin. Die Bundesregierung müsse daher die Strategie noch vor Ende des Jahres verabschieden, forderte die DUH.

Auch der WWF bezeichnete den Strategieentwurf als "halb gemachte Hausaufgaben". Zwar zeuge es von „Führungsstärke“, dass die Ministerin die Strategie in Cali präsentierte. Allerdings habe das Papier die Ressortabstimmung noch nicht bestanden, kommentierte die WWF-Vorständin Kathrin Samson. Es drohe nun, dass der "vielversprechende Entwurf" in der Regierungsabstimmung "zerrieben werde".

Ganz ähnlich äußerte sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Begrüßenswert sei der Strategieentwurf aus Lemkes Ressort zwar, jetzt müsse allerdings schnellstens dessen Verabschiedung im Kabinett folgen. "Der Erhalt der biologischen Vielfalt und damit unserer Lebensgrundlagen ist eine Zukunftsaufgabe, die nur gemeinsam gelöst werden kann und unbedingt alle Ressorts einbeziehen muss", mahnte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. AgE